Normen – Normierungen – Normalisierungen in der qualitativen sportwissenschaftlichen Forschung

Das diesjährige Tagungsthema nähert sich der qualitativen sportwissenschaftlichen Forschung über die Begriffe der Norm, der Normierung und der Normalisierung an. Sie können auf unterschiedliche Weise mit qualitativer sportwissenschaftlicher Forschung in Verbindung gebracht werden:

  • Qualitative sportwissenschaftliche Forschung ist zu großen Teilen pädagogische oder didaktische Forschung. Für diese Disziplinen stellt sich nach einer stark normativ geprägten Historie und der Alltagswende in den 1980er Jahren immer wieder die Frage, welche Bedeutung pädagogisch-didaktische Normen und damit die Orientierung an „gutem“ Unterricht in der empirischen Forschung haben (sollten). Besonders erziehungssoziologisch ausgerichtete Studien grenzen sich von einer normativ ausgerichteten Forschungstradition deutlich ab. Aber auch für sportsoziologische oder -psychologische Forschung stellt sich die Frage nach – ggf. versteckten – Normen für qualitativ-empirische Studien. Als Beispiel lassen sich hier normative Setzungen der Gleichberechtigung in der Gender- und Migrationsforschung oder empirische Studien zur Bildung für nachhaltige Entwicklung nennen.
  • Qualitative Forschung unterliegt Standards, die als Leitlinien und Orientierung für eine gute wissenschaftliche Praxis dienen. Hier finden Normierungen statt, deren Gegengewicht in der flexiblen Anpassung der Methodik an den Untersuchungsgegenstand, aber z.B. auch an pragmatische Erfordernisse liegt. Weiterentwicklungen basieren oftmals auf Überschreitungen und damit einem „Ausbruch“ aus den vorliegenden Normierungen.
  • Normierungen finden wir auch in Dissertations- und Habilitationsordnungen sowie in den Vorgaben wissenschaftlicher Publikationsorgane. Das provoziert die Frage, ob wissenschaftliche Entwicklungen dadurch erschwert werden, dass abweichenden Formen in normierten Publikationsformaten wenig Raum gegeben wird. Was „verschwindet“ oder bleibt ungenutzt, weil es sich einer Verwertbarkeits-Logik entzieht und deshalb in Endprodukten vielfach nicht auftaucht?
  • Qualitative sportwissenschaftliche Forschung unterliegt Normalisierungen, insofern in bestimmten Phasen bestimmte Methoden (und Methodologien) dominieren, während sich andere außerhalb des Mainstreams befinden und nicht, nicht mehr oder noch nicht (gebührend) beachtet werden. So scheinen aktuell verstärkt praxeologisch orientierte Studien die Normalität qualitativen Forschens darzustellen, wohingegen andere möglicherweise als veraltet und überholt gelten. Das führt u.a. zu der Frage nach den blinden Flecken, die aus unseren Normalisierungen resultieren. Gefragt werden kann jedoch auch nach den Normalisierungen, denen die qualitativ-empirische Forschung (nach wie vor – oder wieder verstärkt) durch Anpassungen an quantitative Logiken unterliegt, z.B. im Rahmen der empirischer Bildungsforschung.

Tagungsleitung: Anne-Christin Roth & Ilka Lüsebrink

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